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Riffeth G. Hole Offline

Samsa



Beiträge: 2.349

28.01.2007 11:37
Kapitel IV Antworten

IV.
Sam erwachte in einem unbequemen und für die Jahreszeit – für jede Jahreszeit – viel zu kalten Schlafsack.
Faust hatte sich an eine Wand gehockt und war irgendwann schlafend zusammengesunken; auch ein Berg von einem Menschen wie er hielt derartige Strapazen nicht ewig durch. Sam sah den vom Leben gezeichneten Mann an.
Er befreite sich aus dem Schlafsack und verließ das Zelt, in dem er sich befunden hatte.
War das heute wirklich alles geschehen?
Sam setzte sich nieder und lehnte sich an einen Felsen.
War er wirklich ein vom Staat – von den Patriarchen – gesuchter Schwerverbrecher? Hatte er wirklich derartig viele Menschen getötet? War er wirklich in der Obhut der Anarchisten?
Diese Sache war wirklich groß. Zu groß für ihn. Er sollte wirklich schlafen gehen, er hatte eine mehr als anstrengende Zeit hinter sich.
Doch zuvor ... er kramte in seinen Taschen herum, holte ein zerknittertes und flachgedrücktes Päckchen Liberty Classic hervor und nahm eine heraus. Dann durchsuchte er seine Hosentaschen nach etwas zum Anzünden – vergeblich.
Verdammt, er hatte zwar daran gedacht, beim Umziehen das Päckchen Cigaretten mitzunehmen, doch die Zündhölzer hatte er in der anderen Hose vergessen.
Plötzlich blitzte etwas direkt vor seinem Gesicht auf. Sam hätte beinahe aufgeschrieen, doch da weitete sich der Funken zu einer kleinen Flamme, die einem Feuerzeug entsprang.
Sein Blick folgte dem Arm hoch zum Gesicht einer jungen Dame, Sam schätzte sie auf etwa zwanzig.
Im schwachen Licht des Feuerzeuges erkannte er helle, schöne Haut, dunkle, irgendwie auf eine unbeschreibliche Art spöttisch wirkende Augen und Haare, die auf den ersten Blick schwarz erschienen, doch den schwachen Schein lila reflektierten.
»Feuer?« sagte sie, und Sam fiel beschämt auf, dass er sie mindestens zwanzig Sekunden nur mit offenem Mund angestarrt hatte.
»Äh ... ja, bitte« sagte er, noch immer etwas deplaziert, schob seinen Kopf etwas vor, damit sich das Ende der Cigarette in der Flamme befand und zog daran.
»Dafür hätt’ ich aber auch gern eine« meinte sie, während sie neben ihm Platz nahm.
Er reichte ihr das Päckchen, schloss die Augen, um den nächsten Zug voll und ganz zu genießen und spürte, wie ihm das Päckchen in die Brusttasche geschoben wurde.
Dann hörte er das Klicken eines Feuerzeuges und Rauch, der ausgeatmet wurde.
»Ich hab gehört, ihr hättet zwei Dutzend der Wachtluschen umgelegt?«
»Stimmt«
»Respekt. Im Alleingang hätten das nicht viele geschafft«
»Wir hatten viel Glück, außerdem Überraschungseffekt – die hätten nie mit soviel Gegenwehr gerechnet – und der Standort trug auch Wesentliches bei«
»Dennoch. Zwei Dutzend, das ist ’n Wahnsinn«
»Wie heißt du?« Sam hatte schon lange keine Erfahrungen mehr mit Frauen gemacht, deshalb hielt er einfach die Augen geschlossen und rauchte genüsslich weiter.
»Nenn mich Audrey« meinte sie und zog an ihrer Cigarette.
»Ich heiße Samuel«
»Und er?« Sam machte irgendwo im Dunkeln vor sich eine Bewegung aus und nahm an, dass sie auf Faust deutete – offenbar hatte sie etwas bessere Augen als er.
»Der nennt sich Faust«
»Seltsamer Name«
»Seltsamer Kerl«
»Irgendwie ist er mir unheimlich...«
»Wem nicht? Er kann jedenfalls kämpfen wie ein Gott. Das hat er bewiesen. Ohne ihn wäre ich nach dem ersten Staatswächter tot gewesen«
Audrey schien zu lachen.
»Und ... du bist eine der Anarchisten?«
»Sieht so aus, ja«
Eine unangenehme Stille folgte.
»Hast du eine Idee, was morgen mit uns geschehen wird?«
»Hm. Wir werden euch zu ihnen bringen«
»Zu wem?«
»Zu ihnen«

»Wach auf. Andersson ... Wach auf!«
Sam blinzelte ein paar mal. Er rollte sich zur Seite und schlief beinahe weiter, da wurde er unsanft hochgehoben.
»Wa?« nuschelte er.
»Frühstück. Offenbar werden wir in einigen Minuten abgeholt, also iss. Wer weiß, wann du das nächste mal etwas zwischen die Zähne bekommst«
Sams Gedanken klärten sich, ebenso seine Wahrnehmung.
»Abholen?« fragte er, noch etwas benommen.
»Ich weiß auch nicht. Wir werden sehen«
Eine Kanne mit dampfendem Inhalt und daneben ein Stück Weißbrot und etwas Streichwurst. Sehr dürftig, doch er hätte in diesem Moment alles gegessen, so bestrich er sich drei Schreiben, schlang sie hinunter und trank dann eine Tasse des Inhalts der Kanne, den er zufrieden als Schwarztee identifizierte.
Als er gerade dabei war, eine zweite Tasse zu leeren, betrat ein Anarchist das Zelt.
»Seid ihr dann fertig? Sie erwarten euch schon«
»Sie? Wer sie?« fragte Sam.
»Ihr werdet es sehen. Kommt dann raus« der Anarchist verschwand wieder.
Sam trank den Tee in einem Schluck aus, packte seinen Revolver und stand auf.
Faust hatte ebenfalls die Pistole, die er einem Beamten abgenommen hatte, eingesteckt und war gerade dabei, noch etwas zu verstauen: Die Lupara.
»Die hast du mitgenommen?«
Faust sah auf. »Natürlich. Ist eine sehr schöne Flinte, auch, wenn ich nur noch eine Ladung drin habe«
Sam grinste.
Sie verließen das Zelt und sahen sich um. In der Nacht hatte er das Lager nicht richtig ausmachen können, doch jetzt sah er es: Ein halbes Dutzend halbkreisförmig formierte Zelte. Und in der Mitte stand eine Gruppe von Menschen.
Sam und Faust näherten sich ihnen.
Die Punks bemerkten sie und gingen etwas auseinander. Da sahen die beiden sie.
Es war eine Gruppe von acht Personen: Sie alle waren in nachtschwarze Uniformen gekleidet, trugen kreisrunde, spiegelnde Schutzbrillen, hatten Sturmhauben auf, trugen Stiefel, die in schwarze Hosen mündeten, welche sich durch Riemen eng an die Beine schmiegten. Der Torso steckte in einer Schutzweste und ihre Arme endeten in ledernen Handschuhen. Um die Hüften hatten sie einen Einsatzgürtel mit verschiedensten Werkzeugen, Taschen, Munition und einem Messer daran.
Bewaffnet waren die Gestalten mit einer am Oberschenkel befestigten Pistole und einem um die Schulter geschlungenen Repetiergewehr.
Sam riss die Augen auf, Faust verengte sie zu Schlitzen.
»Ist ... das ...« begann Sam leise, »die Guerilla« beendete Faust den Satz.
»Korrekt« lies einer der schwarz Gewandeten vernehmen.
Die Guerilla? Sam war vollkommen perplex. Dabei hätte er es kommen sehen müssen; es war gemeinhin bekannt, dass die Punks ab und zu ein paar Drecksarbeiten für diese Organisation unternahmen.
Doch er würde niemals mit diesem Zusammenschluss von Terroristen arbeiten!
Die Guerilla waren die einzige Gruppierung, die eine ernsthafte Bedrohung für die Patriarchen darstellten: Sie hatten schon einige hochrangige Mitglieder der Partei eliminiert, schon mit vielen Anschlägen Unruhe gestiftet, dabei waren ihre Angriffe wie Nadelstiche im System der Patriarchen, punktgenau und schmerzhaft, ganz anders als die Anarchisten, deren Rebellion aus reiner, sinnloser Zerstörung zu bestehen schien.
Faust spannte den Hahn seiner Waffe. Sam wusste, dass dies ein rein symbolischer Akt war, Faust war ein geborener Kämpfer, doch in diesem Moment hätte er niemals auch nur die geringste Chance gehabt.
Dennoch zuckten die Hände der Guerillas nach hinten, Riemen wurden gelöst, und im nächsten Moment lagen in der Hand von drei der Soldaten ihre Gewehre, die restlichen hatten blitzschnell ihre Pistolen gezückt.
Auf Sams Blick hin sagte der, der vorhin schon gesprochen hatte: »Nur eine kleine Vorsichtsmaßnahme. Wir wissen nicht, wie tollkühn Ihr Freund ist. Wohl aber kennen wir sein kämpferisches Talent. Wir wollen Ihnen aber nichts antun, im Gegenteil; Wir haben ein Angebot an Sie«
»Wir haben keine große Wahl, denke ich« sagte Faust.
»Die haben Sie wohl. Wir werden Sie sofort gehen lassen, sollte dies Ihr Wunsch sein. Nun, unser Vorschlag wäre der, dass wir ihnen ein Leben anbieten. Sie beide sind Schwerverbrecher, in den Augen der Patriarchen. Sie können ihnen nicht lange entkommen, es wurde bereits ein Kopfgeld auf Sie ausgesetzt, und Spione des Staats befinden sich überall. Wir bieten Ihnen eine Wohnung, wir bieten Ihnen Essen, wir bieten Ihnen Geld. Dafür fordern wir Ihre Kampfkünste, Mister Larsson. Sie sind ein geborener Krieger, und Leute mit ihrer Kampfkraft sind unschätzbar wertvoll für unsere Sache. Mister Andersson, für sie werden wir ebenfalls Arbeit haben, jedoch nicht im Bereich des Kampfes. Nun, entscheiden Sie sich. Ein kurzes Leben als gesuchte Verbrecher, oder ein langes in unseren Diensten. Ihre Entscheidung«
Faust sah ihn durchdringend an. »Schwer gemacht wird uns diese Entscheidung doch wohl kaum«
Er drehte sich zu Sam um. »Was sagst du dazu, Andersson?«
»Mein Leben ist komplett ruiniert, und das innerhalb von einem Tag. Ich frage mich noch immer, wie ich in so eine Misere geraten konnte, und glaube nicht, dass es noch schlimmer werden könnte. Von daher bin ich mit jeder Veränderung, die mich nicht umbringt, einverstanden« meinte Sam.
»Sie haben Glück – wir denken, Ihnen vertrauen zu können. Die Patriarchen unternehmen bestimmt viele Versuche, einen Spion in unsere Reihen zu schleusen, doch ich bezweifle, dass sie zwei Dutzend Staatswachtbeamte dafür opfern. Ich hoffe, Sie verstehen die Unumgänglichkeit einer Augenbinde«
Faust zog eine Augenbraue hoch. Er schien kurz Einwände erheben zu wollen, doch er blieb still.
Der Guerilla warf ihnen zwei schwarze Stoffmasken zu. »Ziehen Sie das an, dann können Sie mitkommen«

»Nestor? Sei mir gegrüßt!«
»Lester ... seit wann läufst du allein herum?«
»Ach, die überaus gnädigen Patriarchen ließen sich doch TATSÄCHLICH dazu herab, meine Käfigtür für einen kleinen Auftrag aufzusperren ...«
Der junge Mann im blauen Kimono lachte: »Ein Käfig ... wie süß. Eine Tür aus Papier würde die gleiche Wirkung erzielen«
»Tja, die größte Ironie ist ja, dass sie aus Eisen gefertigt ist ...«
Nestor lachte.
»Und was hattest du zu tun?«
»Ach, ein etwas aufmüpfiger Pyrokinet wollte unbedingt neutralisiert werden ...«
»Probleme?«
»Ich hatte schon mit Käfern größere Schwierigkeiten«
»Wie traurig«
»Ja, das habe ich ihm auch begreiflich gemacht. Wie hieß dieser Spruch? ›Manche Menschen wollen einfach etwas besonderes sein, anstatt es zu werden‹. Nun, mit was hast du die Zeit totgeschlagen?«
»Ich habe den guten Herrn Willems der harten Wirklichkeit ein Stück näher gebracht«
»Ach ... der Ärmste. Ich hoffe doch, du warst nicht zu grob zu der alten Bulldogge?«
»Nein, es war Notwehr«
Lester lachte.
»Notwehr ... Ich glaube, unser lieber Porfiry ist lernimmun. Er müsste schon begriffen haben, dass er gegen uns machtlos ist und einfach mal den Schwanz einziehen sollte«
»Manche Menschen lernen eben nur durch Tritte«
»Darf ich annehmen, dass es kein Zufall ist, dass wir uns hier treffen?«
Nestor grinste. Die beiden befanden sich auf einem leeren Platz, weit und breit kein Mensch zu sehen.
»Wohl wahr«
»Du denkst also, du bist bereit? Dieses Mal?«
»Sonst würde ich es kaum probieren, denkst du nicht?«
»Ach ... dieser Platz hier ist wie geschaffen zur Arena. Dann wollen wir mal, mein Freund«
Nestor machte einen Satz nach hinten.
»Weiß beginnt ...«
»... Schwarz gewinnt?« beendete Lester den Satz.
Ein elektrisches Knistern erfüllte die Luft, als Nestor seinen Stab auf Lester richtete und eine Art Schrei ausstieß.
Das Metall glomm auf, und ein Strahl aus reiner Energie schnellte auf Lester zu – zu spät.
Er hatte sich mit einer flinken Rolle aus der Gefahrenzone gebracht, und der Strahl schlug in einem alten, blattlosen Baum ein, der zu explodieren schien. Tausende Holzsplitter schossen wie kleine hölzerne Wurfmesser durch die Luft.
Lester blickte sich schnell um, dann streckte er die Rechte aus. Ein Stück eines rostigen, alten Geländers löste sich aus einer Wand und schnellte in seine Hand, wo es als metallene Kugel hängen blieb.
Nestor biss sich auf die Unterlippe, verengte die Augen zu schlitzen und sprang ein Stück nach hinten, während drei Kugelblitze aus seinem Stab schnellten: Der erste auf einen Fleck links von Lester, der zweite rechts von ihm, und der dritte direkt auf ihn.
Lester grinste und spreizte die Finger, da verformte sich die Kugel zu einem Metallenen Schwamm, es erinnerte etwas an ein Knäuel aus Stahlwolle.
Er warf es in Richtung Nestor und blieb ruhig stehen. Der Kugelblitz lenkte plötzlich auf den Schwamm zu, der die gesamte Energie absorbierte: Er glühte kurz auf, dann fiel er – in einer etwas dunkleren Färbung als vorhin – zu Boden.
»Der Trick zieht bei dir immer« lachte Lester, dann schoss seine Hand vor, und Unglaubliches geschah: überall in der Umgebung lösten sich kleine Metallteile – Nägel, Muttern, irgendwelcher Schrott – und formte sich zu einer Kette, die von Lesters Hand ausging und sich um die Nestors wand.
Dieser versuchte vergeblich, sich zu befreien, da kam ihm die Idee: er schickte einen gewaltigen Stromstoß durch die Kette.
Noch bevor seine Hand aufzuckte und mehrere hunderttausend Volt durch die »Müllkette« pumpte, verließ das andere Ende plötzlich Lesters Hand, formte einen kleinen Ring und sauste auf Nestor zu, um sich um seinen Kopf zu schlingen.
Ehe er wusste, wie ihm geschah, setzte er die Energie frei und jagte sich selbst einen ungeheuren Stromschlag durch den Körper.
Mit einem schmerzerfüllten Schrei stürzte er zu Boden und blieb dort heftig atmend liegen. Der Geruch von verschmorten Haaren und etwas Undefinierbarem lagen in der Luft.
»V...Verdammt. N-Nicht ... übel« keuchte Nestor.
»Tja, da war wohl jemand etwas zu voreilig, hm?« meinte Lester.
»Wahr«
»Nun, bis zum nächsten mal«
»Ich ... freu mich ... darauf«
Lester lachte.

Sam wusste nicht, wie lange er auf der Ladefläche des Wagens saß, ob es eine oder drei Stunden waren, ob er eingeschlafen war oder nicht. Er hatte nur ab und an mitbekommen, wie der Motor mit neuem Holz gefüttert wurde.
Auch hörte er manchmal unter dem Brüllen des Vehikels Gesprächsfetzen – meist irgendwelche Belanglosigkeiten.
Irgendwann jedenfalls wurde der Motor abgestellt. Unsanfte Hände ergriffen ihn, rissen ihn in die Höhe, während er neben sich einen schmerzerfüllten Aufschrei und danach Fausts Stimme hörte: »Berühr mich noch einmal, und du bist tot«
»Mr. Larsson, dürfte ich Sie bitten, etwas kooperativer mit uns umzugehen?«
»Natürlich. Wenn ihr etwas kooperativer wärt – ergo mich nicht blind und gefesselt herumführen würdet«
»Wir werden Sie gleich befreien« versprach der Guerilla.
»Das hoffe ich doch«
Sam hörte, wie eine sicher mehrere Zentner schwere Metalltür quietschend geöffnet wurde, dann wurde er durch einen schier endlosen Gang geführt, dann noch das Geräusch einer sich öffnenden Tür.
Man nahm ihnen die Augenbinden ab.



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Matzn ( Gast )
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30.01.2007 14:35
#2 RE: Kapitel IV Antworten

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